Hinter der Fassade des DDR-Paradieses Oberhof – das klingt nach Schneeglanz, FDGB-Ferien und Skisprung-Weltmeisterschaft. Für Generationen von DDR-Bürgern war der Ort im Thüringer Wald das Sinnbild des „sozialistischen St. Moritz“. Doch hinter der glitzernden Oberfläche verbarg sich ein System von Kontrolle, Privilegien und politischem Kalkül. Was als Erholungsoase für die Werktätigen begann, gründete auf der Enteignung seiner eigenen Gründerfamilien. Im November 1950 ließ Walter Ulbricht persönlich rund 50 Hotel- und Pensionsbesitzer binnen Stunden aus Oberhof deportieren – eine geheime Aktion, getarnt als Wirtschaftsschutzmaßnahme. Ihre Häuser gingen an den Feriendienst des FDGB über, um Platz für das „Arbeiterparadies“ zu schaffen. Der Preis für den sozialistischen Glanz war menschliches Leid. In den 1960er-Jahren ließ Ulbricht sich in Oberhof ein luxuriöses Gästehaus errichten – ausgestattet mit Marmor, beheizten Wänden und eigenem Fernsehstudio. Es sollte ursprünglich als Geschenk an Ägyptens Präsidenten Nasser dienen, wurde aber nach geplatzter Diplomatie Ulbrichts persönliche Nobelherberge. Hier widersetzte er sich 1970 dem sowjetischen Botschafter Pjotr Abrassimow: „Wir haben immer Autos hergestellt und werden das auch weiterhin tun.“ Eine Kampfansage an Moskau – und ein Vorzeichen seines Sturzes. Selbst die Küche blieb nicht ideologiefrei: Als der Chefkoch „Königsberger Klopse“ servieren wollte, bestand Lotte Ulbricht auf Umbenennung – Kaliningrad gehörte schließlich zur Sowjetunion. Fortan standen „Kochklopse“ auf dem Menü. Oberhof sollte zur sozialistischen Musterstadt werden, entworfen von Stararchitekt Hermann Henselmann. Doch nach Ulbrichts Entmachtung 1971 blieben viele Visionen unvollendet. Der Ort wurde zu einem Spiegel der DDR selbst – zwischen Größe und Zwang, Ideal und Kontrolle, Traum und Trauma.
INFOBOX: Oberhof in Zahlen und Fakten - „Aktion Oberhof“ (1950): 50 Familien enteignet, Eigentum an FDGB übergeben - Ulbrichts Gästehaus: Baukosten ca. 12 Mio. Mark, ursprünglich Geschenk für Ägypten - Architekturvision: geplanter Komplettumbau durch Hermann Henselmann - Hotel Panorama: gebaut 1969–1972, Symbol sozialistischer „Bildzeichenarchitektur“ - Ulbrichts Sturz: 1971, Nachfolger Erich Honecker stoppt viele Baupläne