Einst gepostet von sascha :
Im Normalfall hört man so Kommentare wie: “Ach du warst gerade in …Paris, London, Berlin, sonstwo… hast dus gut !!!” Wenn man dann erwähnt, dass man von der Stadt nicht mehr gesehen hat, als das Hotelzimmer und die Location in der man gearbeitet hat, dann schwindet die Begeisterung ein wenig.
Hier aber nun mal eine Reise bei der wir wirklich was erlebt haben.
Im letzten Sommer habe ich zusammen mit einigen Kollegen einen deutschsprachigen Künstler nach Afghanistan begleitet um dort zwei Konzerte für die Soldaten der deutschen Bundeswehr zu spielen.
Ein sehr aufregender Trip. Da ich wusste dass wir in die Wüste fliegen werden und viel Gepäck nicht drin ist, habe ich mich dazu entschlossen meine Canon Eos 7d und den ganzen Objektivpark zuhause zu lassen und dafür meine Canon SX-10 mitzunehmen. Ich war mir sicher, dass Objektivwechsel im Gelände nicht wirklich ohne erhebliche Mengen Staub aufzunehmen abgehen würden. Die Canon SX-10 ist eine relativ kompakte Bridgekamera. Sie bietet einen 20-fachen Zoom, was bei dem kleinen Sensor einer Brennweite von 28-560mm (!) entspricht. Bei einer Anfangsblende von f/2.8 ist sie sogar noch halbwegs tauglich um bei schlechteren Lichtverhältnissen noch annehmbar zu knipsen. Ab ISO 400 beginnt jedoch schon merklich zu rauschen. Nett ist auch die Videofunktion mit ordentlichem Autofokus und Stereoton. Weiter bietet das Gerät einen Makromodus der seines gleichen sucht. Bei Supermakro ist es sogar möglich die Staubkörner auf der Linse scharf zu stellen. Alles in allem also für mich die perfekte Reisekamera.
Qualitätsmässig muss man natürlich Abstriche machen…aber wir waren ja auch nicht zum Fotografieren da…
Die Anreise erfolgte vom militärischen Teil des Köln/Bonner Flughafens. Erstmal dort angekommen fielen wir doch erheblich auf. Nicht weil ein bekannter Star unter all den Leute auftauchte, nein, weil wir die einzigen in ziviler Kleidung waren.
9 Mann in bunten Klamotten unter einer Hundertschaft in Feldanzügen. Der erste Teil der Reise würde bequem per Airbus A340 der deutschen Luftwaffe von Köln/Bonn nach Termez in Uzbekistan gehen, dort würden wir eine Nacht verbringen um dann von Termez nach Mazar-e-sharif (kurz MES) mittels Transall überzusetzen.
Während unseres Fluges nach Termez genossen wir die Annämlichkeiten der “Business-Class” und weil wir mit der deutschen Luftwaffe flogen konnten wir problemlos auch mal im Cockpit bei den Piloten vorbeischauen und ein Schwätzchen halten. Man war sich anscheinend sicher, dass wir Zivilisten (im übrigen für die nächsten 5 Tage als einzige unbewaffnet) niemandem was Böses wollten.
In Termez angekommen wurden wir freudig begrüsst und durften unsere Unterkünfte beziehen. Glücklicherweise mussten wir nicht, wie dort eigentlich üblich, in Zelten übernachten, sondern bekamen die gehobene Sonderausstattung. Klimatisierte Wohncontainer. Danach folgte eine kurze Einführung in die dortige Flora und Fauna und deren Auswirkungen bei ungewollten Zusammenstößen.
Mein persönliches Highlight ist die Camel Spider. Die Viecher sind so ca. handgross und sauschnell. Man solle sie nicht reizen, denn sie können gerne mal bis zu 1,5m hoch springen. Igitt !! Ich mache mir im nachhinein noch manchmal Gedanken darüber, dass ich einem der Tierchen bei einem schönen Grillabend in MES anscheinend ganz schön nah kam. Allerdings ließ sie sich erst blicken als ich das Fest schon verlassen hatte. Danke ! Am nächsten morgen gings also los von Termez nach MES in Afghanistan. Wie versprochen in der Transall. Da ich vor einiger Zeit mit einer anderen Band bereits in einer Transall in den Kosovo geflogen war, wusste was mich erwartete. Bei Museumsbesuchen hatte ich mir immer gedacht, dass sie alle noch notwendigen Teile noch aus den Flugzeugen ausgebaut hätten, bevor sie schliesslich im Museum landeten. Als ich das erste mal in einer Transall stieg wusste ich, dass das ein Trugschluss war. Der Einstieg erfolgt elegant über die Heckklappe, vorbei an unserem Equipment. Die Hitze macht einem so schon zu schaffen, auf dem freien Flugfeld wird sie noch vom Asphalt reflektiert und schlägt erbarmungslos zu. In der Transall ist es allerdings kaum auszuhalten. Nach einer kurzen Einführung durch den Piloten: “Nichts anfassen was gelb-schwarz markiert ist, keine Hebel, Schalter , Taster bedienen und zum Rauchen nicht nach draussen gehen!” gings also an Bord.
Was ich schon wusste mussten die anderen jetzt herausfinden: 1. Es gibt keine Sitze da drin, sondern eher so eine Art Liegestühle. 2. Man sitzt nicht in Flugrichtung sondern seitlich dazu. 3. Es gibt 3 Klimazonen, vorne ist es sauheiss, in der Mitte gehts so und hinten friert man sich die Füsse ab.
Was allerdings auch für mich neu war, war dass die Transall in Kriegsgebieten tatsächlich einige Kunststücke macht um zu starten und zu landen. 1. Starten und Landen sollte so schnell wie möglich geschehen um die Zeit der Angreifbarkeit des Flugzeuges so gering wie möglich zu halten. 2. Die Transall ist mit Abwehrsystemen bekannt als Decoys oder Flares ausgestattet. Wikipedia: “Flares (engl., etwa: Stichflammen) sind Täuschkörper gegen Lenkwaffen mit Infrarotsuchkopf. Die beim Einsatz von Flares entstehende Wärmestrahlung lenkt einfache Suchkopf-Sensorik vom eigentlichen Ziel ab.” Das hiess im Klartext: Starten der Maschine geschieht in maximalem Steigflug, also so steil wie möglich. Landen ebenfalls. Das ganze ist bekannt als Sarajevo Approach, bei dem ca. 3-3,5 G auf den Körper einwirken. Das macht ehrlich gesagt richtig Laune. Einer der Piloten machte sich einen Spass daraus und wollte uns “zivilen Blassnasen” mal zeigen wie das richtig geht und setzte noch drauf in dem er das Manöver erst direkt über der Landebahn begann und die Maschine im “Korkenzieher-Style” zur Landung brachte. Das Ganze ist quasi eine Achterbahn für Erwachsene und ist in Wirklichkeit deutlich spektakulärer als es das Video erahnen lässt .
Das Abwehrsystem ist völlig harmlos um nur weil es losgeht heisst es nicht dass das Flugzeug tatsächlich angegriffen wird, is ja klar Dass diese Flares aber so eine Art “Mindesthaltbarkeitdatum” haben stand da nicht drauf. Kann man aber super nutzen um dämliche Zivilisten damit zu ärgern. Denn was weg muss, muss ja weg. In MES bezogen wir wieder unser Quartier, diesmal klimatisierte Wellblechhütten. Saubere Sache. Aussen 48°C im Schatten, innen 20°C. Wen man da von innen die Tür aufmacht und ins freie Tritt glaub man echt man kriegt mit dem Baseballschläger direkt eine zentriert. Erst recht beim ersten Mal, so unverhofft soft .
In MES selbst wurden wir durch die gesamte Instandsetzung geleitet und wir durften uns sämtliche Fahrzeuge, Flugzeuge, Helikopter und deren Waffensysteme anschauen und uns wurde auch gezeigt und erklärt wie man diese benutzt und warum diese und nicht andere Systeme eingesetzt werden. Erstaunlich fand ich, dass es im Flugpark der deutschen Bundeswehr nur einen einzigen Typ Helikopter gibt der bei den Temparaturen überhaupt fliegen kann. Alle anderen würden bei vollgas einfach am Boden stehen bleiben. Und da unser Chef ja bekanntermassen Autobegeistert ist durften wir auch in dem ein oder anderen Fahrzeug mal eine Runde drehen.
Die Reise von MES nach Kunduz gestaltet sich dann noch ein wenig aufregender. Hier ist Helm im Splitterschutzweste Pflicht ! Sicherheit geht schliesslich vor. Und uns wurde dann doch mal wieder klar, dass wir uns hier nicht im Urlaub befinden, sondern in einem Kriegsgebiet.
Der Kunduzer “Flughafen” befindet sich im Gegensatz zum Flughafen in MES ausserhalb des Stützpunktes und man muss ca. 5 Minuten mit gepanzerten Fahrzeugen geshuttelt werden. Flughafen ist gut, es handelt sich eigentlich nur um ein Rollfeld in dessen Nähe ein zerüttetes Gebäude steht. Begrüsst wird man schon mal so.
Im Lager selbst wurde uns zum Mittagessen der “Raketentisch” zum sitzen angeboten. Der Tisch heisst so, weil direkt an diesem Tisch noch die Abdrücke einer Rakete zu sehen sind, die dort zwar in die Wand eingschlagen ist, aber nicht explodierte. Man erzählt uns, dass die Taliban zwar noch Unmengen Raketen vom afghanisch-russischen Krieg haben, aber sie keine Abschussrampen dazu besäßen. “Die legen die Dinger einfach auf nen Misthaufen und brennen die an…Treffen tun die nix!” Na super Sache, ich fühl mich auf jeden Fall wohl und sicher hier :-/ Auf dem Rückweg nach MES habe ich noch mit dem iPhone unsere “Leibwache” fotografiert.
Alles in allem eine sehr aufregende Reise. Ich möchte die Erfahrungen die ich dort gemacht habe nicht missen und wenn es die Möglichkeit gibt dort nochmals hinzureisen, werde ich es mit Sicherheit tun.
Wer also wirklich einmal etwas bieten will von den Weicheinern anderer Art- eine Reise ins Land am Hindukusch ist etwas für echte Männer.