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Lotse Offline




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Gestern 21:29
Prora Antworten

Hochglanzfassaden und Leerstand
Tausende neue Wohnungen, Milliardeninvestitionen, glänzende Fassaden: Prora wirkt auf den ersten Blick wie eine Erfolgsgeschichte. Doch hinter der Fassade zeigt sich eine andere Realität.

Tausende Wohnungen sind entstanden, doch Prora bleibt eine Kunststadt. Gewerbetreibende leiden unter der Saisonalität und Anwohner bemängeln die fehlende Infrastruktur.

Der Berliner Michael Schade und seine Frau Viola haben in Prora auf Rügen vor vier Jahren ihren Traum vom Leben am Meer verwirklicht. Vom elften Stock nahe dem Cottbuser Platz direkt an den Strand - etwas Besseres könne es nicht geben, so Schade. Das Paar kaufte eine Wohnung in der Anlage, die das NS-Regime vor etwa 90 Jahren als 4,5 Kilometer langes "Kraft durch Freude"-Bad direkt an der Ostsee plante. 223.000 Euro zahlten Schades für die 64 Quadratmeter große Wohnung. "Natürlich kreditfinanziert, wir bereuen den Schritt aber nicht eine Minute", sagt der 70-Jährige.

Von den 140 Dauerwohnungen in den ersten vier Aufgängen des Blockes 1 sind nur wenige ständig bewohnt. Höchstens 30 bis 40, sagt Schade. Die anderen seien Zweitwohnungen, deren Besitzer nur selten kämen. Anders als Ferienwohnungen dürfen Dauerwohnungen nicht an Gäste weitervermietet werden.

Die Ruinen und verlassenen Gebäude, die einst dem Bund gehörten, sind mittlerweile von Privatinvestoren zu ansehnlichen Apartmentkomplexen umgebaut worden. 2.000 Wohnungen, insgesamt 5.700 Gästebetten, entstanden in den vergangenen gut zehn Jahren. Hier wurden Milliarden Euro investiert. Eine 123 Quadratmeter große Penthouse-Wohnung wird gerade für knapp 1,9 Millionen Euro in einem Immobilienportal angeboten.

Prora ist ein Ort der Kontraste und Widersprüche: Auf der einen Seite glatte Hochglanzfassaden in den Blöcken 1 bis 3 und Massenansturm von Urlaubern im Sommer. Auf der anderen Seite Leerstand bei Gewerbetreibenden und mangelhafte Infrastruktur - Letzteres beklagen vor allem Anwohner. "Es macht so einen Eindruck, dass eigentlich nur im Sommer Menschen Urlaub machen und danach ist alles weg. Man muss nach Binz fahren, da hat man alles drumherum. Hier ist auch keine Arztpraxis. Alles ist in Binz“, sagt zum Beispiel Alexander Grunwald.

Gewerbetreibende warten vor Block 2 auf Kundschaft. Sie hoffen am Donnerstag vor Pfingsten auf das große Feiertagsgeschäft. Doch vor den Cafés bleiben Stühle leer. Karsten Hinzmann betreibt einen Fahrradverleih. Er steht vor der Ladenzeile mit insgesamt neun Geschäftsräumen. Neben einer Spielhalle ist er der einzige Mieter, der geblieben ist. Die Fluktuation sei hoch: "Wir sind abhängig vom Tourismus. Nur acht bis zehn Wochen gebe es viel und gut zu tun."

Manfred Hartwig ist Geschäftsführer der Prora Solitaire Hotel GmbH. Das Unternehmen verwaltet und vermarktet 125 Eigentumswohnungen im Block 2, die auch an Feriengäste vermietet werden dürfen. Hartwig sagt, hier laufe es besser als gedacht. "Die Erwartungen der Eigentümer wurden übertroffen", so Hartwig. Aber auch er bemängelt die fehlende Infrastruktur. Es gebe zu wenig Menschen, die Geschäfte nutzen würden. Oder zu wenige Geschäfte für die Gäste. Je nach Perspektive. Die Saisonalität ist das Problem in Prora.

Jetzt ist die Gemeinde gefragt. Für Prora gibt es drei Masterpläne. Und die müsse man jetzt anpacken, sagt Mario Kurowski. Er wird am 1. September sein Amt als neuer Bürgermeister antreten. Es fehle beispielsweise ein Ärztezentrum. Ein Baufeld dafür gebe es, aber es finde sich kein Investor. Die Masterpläne zielen aber vor allem auf ein Weiter im Tourismus, eine neue Seebrücke soll entstehen. Der Fokus liegt auf dem Wassersport. Dazu soll ein Baltic Sea Campus entstehen - ein Ort des Austauschs. Als touristische Zielmarken werden 2,8 Millionen Übernachtungen und 1,4 Millionen Tagesgäste genannt: "Daraus ergibt sich ein touristischer Gesamtnettoumsatz in Prora von rund 380,7 Mio. Euro und damit eine zu erwartende Wertschöpfung von rund 210,5 Mio. Euro", heißt es in dem Konzept.

Viel Zukunft, wenig Vergangenheit. Bröckelnden Putz und zerschlagene Fenster sieht man eigentlich nur noch dort, wo Bund und Land Entscheidungen treffen müssen: am Dokumentationszentrum. Wie der Ort als Propaganda-Instrument des NS-Regimes eingesetzt werden sollte, das sehen dort jährlich rund 80.000 Besucher. Die Ausstellung wird in einem maroden Gebäude gezeigt. Ein neues Zentrum, seit 2018 von Land und Bund zugesagt, lässt auf sich warten. Die Kosten sind gestiegen - von 13,7 Millionen auf über 20 Millionen Euro.

Quelle. NDR

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